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Die Immunität der Ungeimpften

Derzeit wird seitens der Politik argumentiert, dass sich die Ungeimpften infolge der höheren Übertragbarkeit der Delta-Mutation spätestens im Herbst massenhaft anstecken werden. Das Ergebnis ist in ihren Augen eine mit den vorherigen Wellen vergleichbare oder gar schlimmere Situation in Krankenhäusern und Krematorien. Es wird behauptet, dass sich jeder Ungeimpfte unweigerlich anstecken wird, und anhand der absoluten Zahlen sind das ja immerhin noch mehr als ein Drittel der Bevölkerung (Stand 09/2021). 

Doch mehrere Faktoren werden in dieser Argumentation ausgeblendet. 
Mit nackten Zahlen kann man ziemlich leicht berechnen, dass die Ausgangssituation vor der prognostizierten "Herbstwelle 2021" sehr viel besser ist als noch vor einem Jahr.

Deutschland hat 83 Millionen Einwohner. 
Das RKI  ermittelte in einer Seroprävalenz-Studie von Blutspendern eine bis April 2021 natürlich erworbene Immunität von 14% in der Bevölkerung. Das sind 11,62 Millionen Menschen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden aber nur 3,09 Millionen Covid-19-Fälle registriert. Es offenbart sich eine Dunkelziffer mit dem Faktor 3,76.
Bis heute (7.9.2021) sind etwa 925 000 Fälle hinzu gekommen. Diese Fälle dürften fast alle der Gruppe der noch immer Ungeimpften zuzuordnen sein. Es müssen von dieser Zahl die 24 000 Impfdurchbrüche vom RKI abgezogen werden. Die restlichen 900 000 Fälle sind noch keine 6 Monate her. Wenn die Betroffenen die Empfehlung einhielten, nicht vor 6 Monate nach einer Infektion zum Impfen zu gehen und wenn sie infolge ihrer Gleichstellung als Genesene auch keinen Grund dafür sahen, dann sind sie derzeit noch ungeimpft. Ein starkes Indiz dafür sind übrigens die unterdurchschnittlichen Impfquoten in besonders "durchseuchten" Landkreisen.

Der Gruppe der Ungeimpften gehören derzeit 32,3 Millionen Menschen an. Davon sind 10 Millionen Kinder unter 12 Jahren. Sie kommen bis zum Herbst weder für eine Impfung in Frage, noch dafür, schwer an Covid-19 zu erkranken. Wir können sie komplett vernachlässigen. Kinder von 12-17 Jahren werden ebenfalls nicht die Intensivstationen fluten, aber sie werden geimpft. Im Moment sind bereits 23% geimpft worden. Ziehen wir alle ungeimpften Kinder (U18) ab, verbleiben etwa 19,4 Mill. ungeimpfte Erwachsene.
 
Von diesen 19,4 Millionen sind jedoch 14% schon im April immun gewesen (s.o.). Weitere 900 000 wurden es seit April (s.o.).
Wie sieht es mit der Dunkelziffer aus?
Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass sich der Dunkelziffer-Faktor geändert hätte. Aber es ist möglich, dass sich Menschen seit April unbemerkt infizierten und sich danach impfen ließen. Der Dunkelziffer-Faktor für die seit April immun gewordenen Menschen kommt also in der ungeimpften Gruppe nicht voll zum Tragen und sollte gedämpft werden. Ich nehme der Einfachheit halber einen Dämpfungsfaktor von 0,75 an.
Nach Abzug aller vor und nach dem April 2021 immunisierten Ungeimpften verbleiben 14,1 Millionen Menschen, die keine Antikörper haben und auf die sich nun die Gefahr schwerer Verläufe verteilt.

Und wie hoch war diese Zahl ein Jahr zuvor?

Der in der RKI-Studie ermittelte Immunitäts-Anteil betrug im September 2020 etwas mehr als 1%. Die Kinder U18 sind wieder heraus zu rechnen. Es ergibt sich eine Zahl von 69,3 Millionen Menschen ohne Antikörper. Das sind knapp 5 mal so viele wie im September 2021.

Mehrere Aspekte berechtigen zu der Annahme, dass der Faktor eher höher als niedriger ist bzw. dass das epidemiologische Risiko zusätzlich reduziert ist:

  1. Es werden sich wohl noch einige der 14 Millionen Erwachsenen ohne Antikörper demnächst  impfen lassen. 
  2. Ob eine Seroprävalenzstudie von Blutspenden wirklich repräsentativ für die bestehende Immunität ist, kann bezweifelt werden. Die Zahl wird ein wenig höher liegen, weil Blutspender eher gesund und auch auf zellulärer Ebene wohl weniger anfällig für Infektionen sind (immun ohne Antikörper) und weil symptomatisch an Covid-19 erkrankte Menschen das Blutspenden wohl zeitweise aussetzen werden.  
  3. In anderen europäischen Ländern mit ähnlichen Fall- Todeszahlen wurden im April höhere Immunitätsanteile bis zu 25% ermittelt. 
  4. Die  14,1 Mill. Erwachsenen ohne Anti-Körper im September 2021 dürften insgesamt jünger sein als die 69,3 Millionen Erwachsenen ohne Anti-Körper im September 2020. Das reduziert die zu erwartende Zahl an Komplikationen.
Rechenbeispiel für die Auswirkung der Aspekte:
Eine im April angenommene Immunität in der Bevölkerung von 20%, gepaart mit einer zu erwartenden Impfquote von 70%, reduziert die Zahl der Erwachsenen ohne Antikörper im September 2021 auf 6,7 Millionen Menschen. Das ist ein Zehntel des Vorjahresstandes. Und dieses Zehntel ist zudem jünger und damit widerstandsfähiger.

Unbetrachtet blieb hier, dass sich der Basis-Reproduktions-Faktor R0 stark erhöhen müsste, um den Teil der Erwachsenen ohne Antikörper überhaupt zu erreichen. Zu einer deutlich erhöhten Übertragbarkeit müsste dann noch der Wegfall aller Maßnahmen (inklusive Quarantäne) hinzukommen, und selbst dann würde es nicht jeden der übrigen "Antikörperlosen" innerhalb einer Grippe-Saison treffen.

  

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